Kirchenleitungsbericht – Kapitel 3.2.
Richtungsmarkierungen notwendiger Veränderungen
Die oben benannten grundsätzliche Pole von Ressourcensteuerung und Kirchenentwicklung sind auch für unseren Prozess von elementarer Bedeutung: beide Fragerichtungen brauchen eine Balance und eine gute, permanente Verzahnung. Eine Dysbalance von absolut gesetzter Ressourcensteuerung erzeugt die Gefahr eines technokratischen Pragmatismus, der mit Druck arbeiten muss und vor allem Angst freisetzt. Vertrauen in einen Gestaltungsprozess ist damit kaum möglich. Vertrauen ist gleichwohl Grundvoraussetzung für das Gelingen von Transformationsprozessen. Eine Dysbalance auf Seiten der Kirchenentwicklung steht in der Gefahr im visionären „Ungefähr“ zu bleiben und nicht umsetzbar und praktikabel zu sein. Wachsender Frust und Ohnmachtserfahrungen wären die Folge. Eine ständige Balancierung ist also zu suchen, um verantwortlich zu agieren und Lenkungswirkung zu erzielen, die möglichst viele Menschen einbindet.
Anknüpfend an die oben skizzierten grundlegenden biblisch-theologischen Überlegungen und in der Wahrnehmung der kirchlichen Praxis im Raum unserer Landeskirche, zeichnen sich in den analysierenden Beratungen der Arbeitsgruppe folgende ‚Linien‘ ab.
3.2.1 Einheit und Vielfalt: Weiterentwicklung der Organisationsformen
Wir schlagen vor, die theologische Legitimität unterschiedlicher Formen von Kirche und von Gemeinde zu stärken und weiter zu entwickeln.[1] Ziel ist, der Pluralität der Methoden und Formen zur Umsetzung des kirchlichen Auftrags auch im gemeindlichen Leben vor Ort gerecht werden zu können. So wie die Tätigkeit kirchlicher Werke und Einrichtungen für das Ganze von Kirche diese Vielfalt in notwendiger Weise neben der Parochie veranschaulicht, kann nicht-parochial strukturierte Verkündigung des Evangeliums die parochial strukturierte Verkündigung vor Begrenzungen bewahren helfen.
Individualität und Subjektivität der Gemeindeglieder müssen deutlicher ernst genommen werden: „Kirchliche Strukturen sollten sich daher sowohl an der primären Lebenswelt orientieren als auch die unterschiedlichen Lebenswelten von Menschen im Blick haben. Sowohl wohnortnahe Strukturen (vor allem für Kinder) als auch differenzierte Angebote für die unterschiedlichen Lebenswelten von Menschen sind also wichtig.“[2] Gestärkt wird damit, dass christliche Gemeinschaft in unterschiedlichen Formen und mit unterschiedlicher Partizipationsintensität möglich sein kann. Damit wird zugleich die Verbundenheit an einen konkreten kirchlichen Ort auch und gerade im Ehrenamt gefestigt.
Grundsätzlich muss im Blick bleiben, dass die kirchlichen Handlungslogiken immer ausbalanciert sein müssen. In der Dynamik des Kleinerwerdens darf Kirche nicht „nach innen kippen“. Mit Selbstbezüglichkeit werden wir unserem biblischen Auftrag als Kirche nicht gerecht.[3] Die nach innen orientierte, verdichtende Perspektive braucht immer eine nach außen gewendete, öffnende Sichtweise. Auf der Organisationsebene heißt das: Die „Vor-Ort-Logik“ benötigt immer eine Balance mit der „Funktionslogik“ gesamtkirchlicher Aufgaben.[4]
Wesentlich leitet uns: Als kleiner werdende Kirche bleiben wir in der gestifteten Einheit Christi verbunden und sind darin vielfältig und vielgestaltig: im diakonischen Tun, im Bildungshandeln wie in Verkündigung. Denn Kirche ist zum Zeugnis von Jesus Christus in die Welt gesandt. Sie ist kein Selbstzweck. Darum ist sie Zeugnisgemeinschaft.
„Kirche ist dazu da, dass Menschen in städtischen wie in ländlichen Regionen Glauben leben können. Die Kirche hat die Gottesfrage in der Mitte der Gesellschaft wachzuhalten. Deshalb ist sie in jeder Gesellschaft und über die Zeiten unverzichtbar. In der Begegnung mit Distanzierten und Konfessionslosen treffen Christen auf je andere Lebenserfahrungen und andere Lebensentwürfe. Wenn Christen diese achten und sich auf ihre Fragen und Sehnsüchte einlassen, können sie dem Evangelium den Weg bereiten. Dazu wird eine offene, einladende und gewinnende Kirche gebraucht, damit wir fröhlich evangelisch-lutherische Kirche im Wandel gestalten.“[5]
Gestaltungsspielräume durch Vereinfachung der gemeindlichen Strukturen
Uns erscheinen daher weitere Entwicklungen in den gemeindlichen Strukturen und Veränderungen in den Organisationsformen des gemeindlichen Lebens nötig. Wir schlagen konkret eine deutliche Vereinfachung der gemeindlichen Strukturformen vor, die größere Gestaltungsspielräume und Vielfalt des kirchlichen Lebens fördern soll, daneben aber auch eine strukturelle Konzentration möglich macht. Die Notwendigkeit einer Vereinfachung ist nach unserer Einschätzung vor allem aus zwei Gründen nötig:
Wir nehmen erstens wahr, dass oft nur noch mit Mühe die gewachsene Fülle an Regelungen zu durchdringen ist. Vor allem für Ehrenamtliche erzeugt die Unübersichtlichkeit eine lähmende Überkomplexität. Die Einladung zu ehrenamtlicher Mitwirkung und Mitverantwortung für Kirche vor Ort wird dadurch geschmälert. Gremienfülle und Regelungsdichte stellen zugleich auch für den hauptamtlichen Dienst häufig und zunehmend eine Überforderung dar, die zur Ermüdung führt. Auch die Lesbarkeit kirchlicher Strukturen von außen leidet darunter. Die Verständlichkeit der Strukturmodelle ist nur schwer außerkirchlich zu vermitteln, was Zugänge und Anschlussfähigkeiten mindert.
Die entstandene gesetzliche Komplexität (Kirchgemeindestrukturgesetz) folgte bisher dem Willen und der Logik, der gewachsenen regionalen Vielfalt und einer zunehmenden Komplexität des kirchlichen Lebens eine passende Struktur zu geben, um die Einheit unserer Kirche zu wahren und nötige Freiheit vor Ort zu gewähren.
In vielen Regionen unserer Landeskirche sind mit großem Einsatz und hoher Energie auch vieler Ehrenamtlicher in den letzten Jahren auf diesem Weg erkennbar stabile und lebendige Strukturen gewachsen. Auf diesen wertvollen und wichtigen Erfahrungen kann und muss weiter aufgebaut werden, indem wir im Sinne einer Weiterentwicklung daran anknüpfen. Gleichzeitig sind immer wieder auch die Grenzen dieses Weges erlebbar gewesen. Die geographische Ausdehnung, die zunehmende Dichte an Verwaltungsaufgaben bei knapper werdenden Ressourcen, Nachwuchsmangel und eben Überkomplexität erzeugen oft eine nicht förderliche Lähmung.
Wir überlegen daher, darauf mit einem stärkeren Fokus auf Übersichtlichkeit und strukturelle Klarheit zu reagieren. Viele Erfahrungen in der Umsetzung von „Kirche mit Hoffnung in Sachsen“ haben gezeigt, dass klare Strukturen neue Kräfte wachsen lassen und Übersichtlichkeit zur Mitarbeit einlädt. Wird aber die Regelungsdichte und Strukturkomplexität zu hoch, wirkt das eher dämpfend auf die Bereitschaft zur Mitwirkung.
Ein zweiter Grund für Vereinfachung liegt darin, dass wir künftig deutlich geringere Mittel für Verwaltungsaufgaben zur Verfügung haben werden. Eine schlankere „Gliedrigkeit“ unserer Landeskirche sollte daher das Ziel der nächsten Veränderungsschritte sein, wenn wir als verfasste Kirche in einer geordneten, gemeinsamen Struktur beieinanderbleiben wollen.
Konzentration der gemeindlichen Rechtsstrukturen
Konkret erwägen wir, dass wir uns konzentrieren und künftig nur noch eine gemeindliche Rechtsstruktur als eine Form der Strukturverbindung aufrechterhalten. Wir fokussieren uns künftig auf nur noch eine Differenzierung: die Ortsgemeinde (im Wortsinn: die Gemeinde vor Ort) als kleinere Einheit vor Ort und die darüber liegende Kirchgemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts und größere Strukturklammer. Beide Formen erhalten eine Rechtsordnung, entsprechende Funktionszuschreibungen sowie ein inhaltliches und geistliches Profil.
Die Kirchgemeinde als Körperschaft öffentlichen Rechts ist Anstellungsträger. Ihr ordnet die Landeskirche entsprechend der Gemeindegliederzahl Personal und Finanzen zu. Die Kirchgemeinden erhalten Gestaltungsspielräume für die jeweiligen Ortsgemeinden, damit dort das kirchliche Leben vor Ort vielgestaltig, lokal eingepasst und mit der Bindungsstärke des Ehrenamts gefördert und gestaltet werden kann. Die Zahl der Kirchgemeinden als Körperschaften öffentlichen Rechts soll sich deutlich und entsprechend reduzieren. Die Vielfalt und die freien Gestaltungsspielräume vor Ort sollen damit wachsen. Das einheitsstiftende Element der ganzen Kirchgemeinde und der Landeskirche wird zugleich konzentriert.
Vielfalt von Gemeindeformen – Ergänzungen zur Parochie
In unseren Überlegungen und Beratungen zeichnet sich ab, dass wir unter diesem Begriff der Ortsgemeinde künftig ausdrücklich auch Initiativen und Gemeinden an sogenannten „dritten Orten“[6] verstehen wollen und unser gewachsenes Parochialverständnis damit weiten und ergänzen. Das können z.B. Schulgemeinden an evangelischen Schulen sein, Studierendengemeinden, Initiativen oder Gemeinden in diakonischen Einrichtungen, besondere sogenannte Profilgemeinden oder auch diakonische oder missionarische Projekte.
Es soll eine variable und vielfältige Landschaft von kirchlichen Orten wachsen können, die dennoch verbunden bleiben in einer Kirchgemeinde. So kann mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand und notwendiger Eigenständigkeit das Gemeindeleben gestaltet werden. Die Disparatheit in städtischen Kontexten oder auch gewachsene lokale Logiken in ländlichen Regionen können sich auf diese Weise vielfältig als Ortsgemeinde innerhalb der Klammer der Kirchgemeinde abbilden.
Verschlankung der Verwaltung
Wir schlagen außerdem vor, weitere Schritte zu einer konzentrierteren, effizienteren und sparsamen Verwaltung zu gehen. Künftig kann nur noch eine geringere Anzahl an Strukturformen administrativ bearbeitet werden. Die Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen muss weiter geprüft und vorangebracht werden.
Der mit „Kirche mit Hoffnung in Sachsen“ 2016 begonnene Weg, die Verwaltungsorganisation zu professionalisieren und zentral zu bündeln, soll weitergegangen werden und ausgebaut werden.[7] Es soll darauf geachtet werden, Zugänge und Anschlussfähigkeiten zu professionalisieren und zu vereinfachen.[8]
Die übergemeindlichen Verwaltungsstrukturen müssen ebenso auf Effizienz und Professionalisierung hin geprüft und konzentriert werden. Das betrifft die Kassenverwaltungen, die Regionalkirchenämter, die Zentralstellen der landeskirchlichen Ebene sowie das Landeskirchenamt im engeren Sinne.
Neubestimmung der mittleren Ebene
Wir denken, dass die mittlere Ebene der Landeskirche neu gefasst und die Zahl der Kirchenbezirke deutlich reduziert werden sollte. Damit müsste eine Neubestimmung auch der Funktionen des Kirchenbezirks verbunden werden. Denkbar wäre, die schon vorgeformten Bereiche der drei bisherigen Regionalkirchenämter in den Blick zu nehmen: Chemnitz, Dresden und Leipzig bilden schon seit Jahren eingeübte regionale Verwaltungseinheiten.[9]
Die Aufgaben und Funktionen der sogenannten mittleren Ebene sollten in der Folge neu beschrieben und angepasst werden. Auch die Mandatierung des Leitungsamts der Superintendentin bzw. des Superintendenten müsste neu austariert und bestimmt werden. Die dann geringere Anzahl von Ephoren sollte bei einem solchen Weg eine stärkere Einbindung in die landeskirchlichen Entscheidungen erhalten.
Einheit wahren – Freiheit gewähren – Solidarität üben
Wir sehen und gehen davon aus, dass die skizzierte stärkere Gestaltungsfreiheit eine einheitsstärkende Balance braucht. Wesentlich wird sein, dass fachliche Standards der kirchlichen Beruflichkeit, also Qualifizierung und Fort- und Weiterbildung, die nötige Einheit gerade einer kleineren Kirche wahrt.
Wenn die Beobachtung zutrifft, dass die Verschiedenheit der Landeskirchen zunimmt, gilt dies sicher auch für eine zunehmende Heterogenität innerhalb unserer Landeskirche. Vielfältigere Gemeindeformen, geweitete Gestaltungsspielräume und schlankere Verwaltung benötigen eine Balance in der Stärkung von Solidarität und Verbundenheit zwischen Kirchgemeinden, Werken und sich weiter ausdifferenzierenden Bereichen. Hierzu sind konkrete einheitsstärkende Ideen zu sammeln und zu entwickeln.
3.2.2 Ehrenamt und Beruflichkeit: Gestaltung des Verkündigungsdienstes
Die Gestalt des Verkündigungsdienstes ist spätestens seit den Strukturanpassungen des Jahres 2014 Gegenstand verstärkten Nachdenkens.[10] Bereits damals wurde gesehen, dass eine weitere deutliche Reduzierung der Zahl der sogenannten „Dreigespanne“ nicht ohne Neubeschreibung der Berufs- bzw. Aufgabenfelder der hauptamtlichen Mitarbeitenden im Verkündigungsdienst möglich ist. Die Reformen von „Kirche mit Hoffnung in Sachsen“ zielten auf die Umsetzung solcher Veränderungen in den Berufsbildern sowie darauf, vorrangig auskömmliche hauptamtliche Stellen in den klassischen Berufen des Verkündigungsdienstes (Pfarrdienst, Gemeindepädagogik, Kirchenmusik) in dafür förderlichen Strukturverbindungen zu schaffen. Dadurch und durch die Stärkung der verbindlichen Zusammenarbeit in Teams sollte die Attraktivität der Berufe im Verkündigungsdienst gesichert werden.[11]
Angesichts der immer deutlicher abnehmenden finanziellen Ressourcen, der daraus folgenden Verminderung des finanzierbaren hauptamtlichen Personals, der sich gleichzeitig weiter vergrößernden Flächen der Struktureinheiten, der begrenzten Zahl an Menschen, die sich auf traditionellen Wegen für den hauptamtlichen Verkündigungsdienst gewinnen lassen, aber auch angesichts veränderter Prioritäten bei denen, die sich für den Dienst entscheiden, sieht die Arbeitsgruppe weitere Veränderungen in der Gestalt der Verkündigungsdienstes als notwendig an. Diese Veränderungen setzen teils begonnene Prozesse in den Berufsbildern fort, werfen teils aber auch neue Fragen auf.
Ehrenamt und Beruflichkeit – neue Akzentuierungen
Als grundlegende Frage erscheint der Arbeitsgruppe die Neubestimmung des Verhältnisses von Ehrenamt und Hauptamt bzw. Beruflichkeit. Zu fragen ist, in welcher Weise auf die kommenden Herausforderungen durch eine Stärkung des Ehrenamtes als „Gesicht von Kirche vor Ort“ reagiert werden kann – und entsprechend in ein verändertes Selbstverständnis das Hauptamts als „Ermöglicher“ und „Multiplikator“ investiert werden muss.
Eine erheblich wachsende Bedeutung des Ehrenamtes verlangt erhebliche Änderungen in der Arbeit des Hauptamts. War ehrenamtliches Engagement traditionell auf den hauptamtlichen Verkündigungsdienst eher „unterstützend“ hingeordnet, könnte nun geboten sein, das Verhältnis anders zu fassen, nämlich die Aufgabe des hauptamtlichen Dienstes in der Verkündigung grundlegend von den Bedürfnissen und Notwendigkeiten ehrenamtlichen (oder: nebenamtlichen) Verkündigungsdienstes her zu denken.[12] Daraus ergeben sich viele Folgefragen, u.a. diese: Welche Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie in der Aus- und Fortbildung sind dafür notwendig? Wie kann die Attraktivität eines hauptamtlichen Verkündigungsdienstes erhalten werden, der vorrangig die Aufgabe hat, unterstützende und motivierende „Gelegenheitsstrukturen“ für Ehrenamtliche zu schaffen?
Weiterentwicklung des „Dreigespanns“
Im Vergleich der Reformprozesse der Landeskirchen ist deutlich geworden, dass die Besonderheit der sächsischen Landeskirche, das hauptamtliche Personal im Verkündigungsdienst in „Dreigespannen“ von Pfarrdienst, Gemeindepädagogik, Kirchenmusik zu planen, ein wertvolles und zu bewahrendes Instrument ist, das u.a. die nötige Vielstimmigkeit der Verkündigung sichert. In anderen Landeskirchen wird mit dem Aufbau sogenannter „interprofessioneller Teams“ dieser bei uns seit langer Zeit geübte Grundsatz derzeit mit erheblichen Anstrengungen neu implementiert. Das „Dreigespann“ soll nach Auffassung der Arbeitsgruppe für die Planung der durch landeskirchliche Zuweisung finanzierten Stellen im hauptamtlichen Verkündigungsdienst in der Regel erhalten bleiben.
Allerdings ist zu fragen, ob und in welcher Weise eine Weiterentwicklung und begrenzte Flexibilisierung sinnvoll ist. Dies gilt zunächst im Blick auf den neu eingeführten Dienst des Pfarrreferenten, der sich als eigenes Berufsbild vom Pfarrdienst unterscheidet, derzeit aber in den Stellenplanungen im „Dreigespann“ den Platz von Pfarrerinnen und Pfarrern einnimmt. Zu fragen ist, ob und wie künftig Pfarrreferentinnen und Pfarrreferenten eine eigene, neu hinzutretende Planungsgröße im bisherigen „Dreigespann“ sein können. Ebenso ist sorgfältig zu diskutieren, ob eine begrenzte Flexibilität für lokal verantwortete Schwerpunktsetzungen im Verhältnis der Berufe des Verkündigungsdienste hilfreich und wünschenswert ist, und ob und in welcher Weise nicht-theologische Professionen (z.B. Sozialpädagogik) hinzutreten können.
In der Arbeit der Arbeitsgruppe wird außerdem diskutiert, wie für die Kirchgemeinden neben den durch landeskirchliche Zuweisung finanzierten, bisherigen „Dreigespannen“ eine höhere Variabilität von Anstellungsverhältnisseneröffnet werden kann. Damit verbunden sind allerdings komplexe Fragen, unter anderem, welche für die Landeskirche einheitlichen rechtlichen Rahmenbedingungen künftig notwendig sind, u.a. im Blick auf Ausbildung und Vergütung.
Profilschärfung im Verkündigungsdienst
Durch das neue Berufsbild das Pfarrreferenten ergibt sich eine in dieser Weise bisher nicht vorhandene Möglichkeit des Übergangs im Verkündigungsdienst aus dem Ehrenamt (als Prädikantin oder Prädikant) in die Beruflichkeit.Ein Wertdieser Öffnung für den Verkündigungsdienst liegt in neuen Perspektiven durch unterschiedliche Herkünfte und Erfahrungswelten, die in den hauptamtlichen Verkündigungsdienst eingebracht werden können. Daraus ergeben sich aber auch Fragen, die sorgfältig reflektiert werden müssen. Etwa erscheint notwendig, das Verhältnis von Pfarrdienst und Pfarrreferentendienst weiter zu bedenken und insbesondere das Profil des Pfarrdienstes zu schärfen. Im Blick sollte dabei besonders die Leitungsverantwortung als Spezifikum des Pfarrdienstes sein,[13] auch unter dem Gesichtspunkt der geistlichen Leitung, und die hermeneutische Kompetenz als Fähigkeit, theologische Impulse in Veränderungsprozesse selbständig einzutragen. Eine vergleichbare Profilschärfung ist auch in den Berufsbildern der Gemeindepädagogik und der Kirchenmusik fortzusetzen.
Priorität für Qualifikationen
Im Vergleich der Reformprozesse der Landeskirchen im Bereich der EKD ist deutlich geworden, dass die Qualifikationsmöglichkeiten zum Verkündigungsdienst im Ehrenamt (für den Lektoren- und insbesondere für den Prädikantendienst), wie sie in der sächsischen Landeskirche über viele Jahre aufgebaut worden sind (herauszuheben ist dabei der „Kirchliche Fernunterricht“), anderen Landeskirchen in den gegenwärtigen Herausforderungen in einigen Hinsichten als vorbildlich erscheinen. Unter dem Druck abnehmender finanzieller Ressourcen muss nach Auffassung der Arbeitsgruppe darauf geachtet werden, dass die Qualifikation des ehrenamtlichen (und künftig möglicherweise: nebenamtlichen) Verkündigungsdienstes eine klare Priorität behält.
Starke Qualifikation muss der Maßstab auch im Ehrenamt sein. Die Erfahrung zeigt: Wenn die Qualität „nicht stimmt“, werden Angebote in der Verkündigung auf Dauer nicht wahrgenommen. Umgekehrt erfahren Ehrenamtliche im Verkündigungsdienst eine starke Resonanz, wenn sie gut ausgebildet tätig werden.
Gleiches gilt für die Fort- und Weiterbildungsangebote und die Qualifikationsstandards der Beruflichkeit kirchlicher Verkündigungsberufe. Ein Absenken von Kompetenzen erzeugt nicht nur geringere Attraktivität und eine häufige Verunklarung der jeweiligen Professionsidentität, sondern auch erkennbar schmalere Resonanzen in der Praxis der kirchlichen Verkündigung. Dies trifft auf die Kirchenmusik und Gemeindepädagogik in gleicher Weise zu wie für die pastoralen Aufgaben.
Eine Senkung von Qualifizierungsangeboten und Standards in beiden Bereichen (Ehrenamt wie Beruflichkeit), würde die Dynamik des Schwundes verstärken. Die Arbeitsgruppe schlägt daher vor, künftig eine besondere Konzentration auf die Fragen der Fachqualifizierung und Begleitung zu richten, auch im Blick auf künftige Schwerpunktsetzungen bei den Ressourcen.
Ausdifferenzierung von Stellenumfängen
Ein weiterer Fragenkomplex betrifft die Möglichkeit von Nebenamtlichkeit und die zunehmend stärker verlangte Einrichtung von Teilzeitstellen. Durch veränderte Prioritäten bei Bewerberinnen und Bewerbern erscheint das Angebot vonTeilzeitstellen künftig in vielen Fällen als Voraussetzung für Besetzungen. Das ist eine gegenüber den Überlegungen von „Kirche mit Hoffnung in Sachsen“ mit ihrem Fokus auf die Auskömmlichkeit der Stellen veränderte Situation und mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Zu fragen und sorgfältig zu bedenken ist, wie eine stärkere Ausdifferenzierung und Vielfalt von Stellenumfängen und Variabilität möglich werden, ohne dass die Attraktivität und Fachlichkeit geschmälert werden.
[1] Vgl. dazu den bereits genannten Aufsatz von M. Teubner, „Gehet hin und lehret alle Völker…“ Überlegungen zum Zusammenspiel parochialer und nichtparochialer Strukturen unter ekklesiologischen Gesichtspunkten.
[2] U. Pohl-Patalong, Von der Ortskirche zu kirchlichen Orten. Ein Zukunftsmodell, Göttingen 22006, 131.
[3] Vgl. Matthäus 28,19: „Und er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.“
[4] Entsprechend gilt für das Bildungshandeln von Kirche: neben der Subjektlogik braucht es immer auch eine Sachlogik.
[5] Kirche mit Hoffnung in Sachsen, 3.
[6] Mit „dritten Orten“ werden Angebote bezeichnet, die die kirchliche Arbeit der Kirchgemeinden als parochialer Verbund („erste Orte“) sowie Einrichtungen, Werke und funktionale Dienste („zweite Orte“) ergänzen. Dritte Orte liegen quer zu traditionellen Formen von Gemeinde. Sie sind Innovationsräume kirchlichen Lebens, die probehalber Antworten auf Herausforderungen bei der Erfüllung des kirchlichen Auftrags entwickeln. Erste, zweite und dritte Orte leben in gegenseitiger Wertschätzung und in wechselseitiger Ergänzung. Zwischen ihnen herrscht eine anregende Kommunikation, Austausch und ein befruchtendes Mit- und Nebeneinander.
[7] Die Aussage des Strategiepapiers „Kirche mit Hoffnung in Sachsen“ von 2016 hat weiterhin eine erkennbare Notwendigkeit: „In der Folge sollen Anstellungsanteile zusammengeführt und auf wenige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen übertragen werden. Sie sollen alle in der zentralen Kirchgemeindeverwaltung ‚an einem Ort‘ arbeiten“ (Kirche mit Hoffnung in Sachsen, 19).
[8] In jeder Kirchgemeinde und in jedem Kirchenbezirk sollte zum Beispiel künftig einfach und schnell eine Kontaktperson für Taufanfragen zu finden sein – bestenfalls digital mittels einer App.
[9] Denkbar wären auch andere regionale Modelle und Anknüpfungen, wie z.B. die ehemaligen Kirchenamtsratsbezirke.
[10] Vgl. das damalige Arbeitspapier der von der Kirchenleitung eingesetzten Arbeitsgruppe zum Thema Berufsbilder aus dem Jahr 2014: Notwendige Veränderungen in den Aufgabenfeldern und Berufsbildern der Mitarbeitenden im Verkündigungsdienst, online verfügbar unter: https://engagiert.evlks.de/fileadmin/userfiles/EVLKS_engagiert/B._Landeskirche/ Landessynode/PDF/27_Notwendige_Veraenderungen_in_den_ Aufgabenfeldern_25.07.2014-Endfassung.pdf (abgerufen am 27.01.2025).
[11] Vgl. Kirche mit Hoffnung in Sachsen, bes. 13 f.
[12] Vgl. dazu die Einschätzung von „Kirche mit Hoffnung in Sachsen“ bereits im Jahr 2016: „In einer Gemeinschaft der Dienste wird das Hauptamt sich künftig stärker als bisher fördernd, gewinnend und begleitend auf das Ehrenamt beziehen. Haupt- und nebenamtliche Arbeit stehen dabei nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sie sind aufeinander angewiesen“ (Kirche mit Hoffnung in Sachsen, 5).
[13] Vgl. dazu schon M. Klatte / K. Schurig, Auf dem Weg ins Team – ein orientierender Impuls, ABl 2019, B9–B12, hier B5: „Pfarrer sind und bleiben dabei geistlich leitend verantwortlich für die ihnen anvertrauten Kirchgemeinden. … Als ‚Episkope‘ tragen sie ‚Verantwortung in Aufsicht über das Wesen und Wohlsein der Kirche‘.“