Kirchenleitungsbericht – Kapitel 2
2. Einsetzung der Arbeitsgruppe „Kirche im Wandel“ und Überblick über die bisherige Arbeit
In ihrer Sitzung vom 24. Mai 2024 hat die Kirchenleitung die Arbeitsgruppe „Kirche im Wandel – Wege gestalten für das Kommende“ eingesetzt. Die Arbeitsgruppe erhielt den Auftrag, „grundlegende kirchenleitende Eckpunkte für künftige Handlungsschritte zu erarbeiten, die für die Struktur- und Stellenplanung für den Zeitraum bis 2050 handlungsleitend sein können“.
In den vorangehenden Beratungen der Kirchenleitung hatte sich abgezeichnet, dass das Tempo und die Tiefe der Änderungen des kirchlichen Lebens sowie die sich verstärkende Minorisierung des christlichen Glaubens es nötig machen, über die grundlegenden Reformschritte von „Kirche mit Hoffnung in Sachsen“ (2016) hinaus diefür unsere Kirche wesentlichen Organisationsformen aller Ebenen und die Gestalt des Verkündigungsdienstes weiterzuentwickeln.[1]
Auftrag und Zusammensetzung der Arbeitsgruppe
Grundlegend für die Beratungen und die Einsetzung der Arbeitsgruppe waren Impulse der Landessynode, insbesondere die an die Kirchenleitung überwiesene Drucksache 186 der 28. Landessynode (Antrag der Syn. Knepper u.a. auf der Herbsttagung 2023), in der u.a. angeregt worden war, „über eine weitere Ausdifferenzierung im haupt- und nebenamtlichen Dienst der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung“ zu beraten.[2]
Die Arbeitsgruppe soll ausdrücklich in ihrer Arbeit die Entscheidungen von „Kirche mit Hoffnung in Sachsen“ reflektieren, weiterentwickeln und Ergebnisse der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU VI) in ihre Überlegungen einbeziehen.[3] Über den Fortgang ihrer Arbeit soll sie in geeignetem Rhythmus der Kirchenleitung berichten und ihre Ergebnisse Ende 2025 vorlegen.
In Anknüpfung an die bewährte Praxis der Arbeitsgruppe zur Struktur- und Stellenplanung und zur Weiterentwicklung der Berufsfelder im Verkündigungsdienst, die 2016 zu dem Reformpapier „Kirche mit Hoffnung in Sachsen“[4] führte, wurde die Arbeitsgruppe paritätisch mit je vier synodalen und vier landeskirchenamtlichen Mitgliedern sowie Landesbischof Tobias Bilz besetzt. Für die Landessynode wurden Superintendent Rainer Findeisen, Pfarrer Dr. Christoph Herbst, Barbara Pfeiffer und Friedhelm Zühlke benannt; für das Landeskirchenamt wurden entsandt: Oberlandeskirchenrätin Margrit Klatte, Oberlandeskirchenrat Burkart Pilz, Oberlandeskirchenrätin Kathrin Schaefer, Oberlandeskirchenrat Klaus Schurig. Die Leitung haben Oberlandeskirchenrat Pilz und Pfarrer Dr. Herbst; sie wurde also ebenfalls paritätisch gestaltet.[5]
Die Arbeit wurde am 22. August 2024 mit einer konstituierenden Sitzung aufgenommen. Seither tagt die Arbeitsgruppe monatlich. Im Januar 2025 fand ein Klausurwochenende im Klosterhof St. Afra in Meißen statt.
Zunächst hat sich die Arbeitsgruppe darüber verständigt, was die Aufgabenstellung der „Erarbeitung handlungsleitender Grundsätze“bedeutet: Formal und inhaltlich wird keine neue Auflage des Reformpapiers „Kirche mit Hoffnung“ erarbeitet, das einen starken Fokus auf konkrete, strukturell unmittelbar umsetzbare Zahlen für die Struktur- und Stellenplanung damals hatte.
Vielmehr erscheint es angesichts der absehbaren Tiefe der Veränderungen angemessen, sorgsam reflektierte „große Linien“ auszuarbeiten, die handlungsleitend werden können. Insbesondere die theologische Reflexion der Veränderungen soll Gewicht erhalten. Um hinreichend sorgfältig zu überlegen, welche langfristigen Änderungen notwendig sind und wie dabei die nötige Stabilität für das kirchliche Leben erhalten werden kann, hat die Arbeitsgruppe ihre Arbeit im Modus der Frage begonnen.Sie versucht,in der Form von präzisen Fragen die Situation in ihrer Komplexität zu erfassen.
Bisherige Gegenstände der Beratung
Die Beratungen wurden im Herbst 2024 mit einer Reflexion der uns – bewusst und unbewusst – leitenden Bilder von Kirche und Gemeinde eröffnet. Als Ausgangspunkt ihrer Arbeit hat die Arbeitsgruppe dezidiert nicht Zahlen und Strukturen, sondern die Frage gewählt: „Wann erfahren wir Kirche so, dass sie Menschen anzieht, ihnen Hoffnung gibt, sie trägt und ihren Glauben stärkt?“ Stark diskutiert wurde dabei die Bedeutung von Gemeinschaft und persönlicher Begegnung, von sozialer „Überschaubarkeit“ für die Stärkung des Glaubens und das kirchliche Leben – in Ortsgemeinden und anderen Zusammenhängen, wie z.B. Schulen oder diakonischen Einrichtungen.
Im November 2024 wurden Ergebnisse der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung in ihrer Bedeutung für die notwendigen Veränderungen unserer Landeskirche diskutiert. Als Experte eingeladen war Oberkirchenrat Dr. Johannes Wischmeyer, Leiter der Abteilung Kirchliche Handlungsfelder im Kirchenamt der EKD, der unter der Überschrift „KMU VI – Erkenntnis für den Reformprozess der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens“ Impulse in die Beratungen eintrug. Dabei kamen auch die Prägungen und Besonderheiten des kirchlichen Lebens unserer Landeskirche im EKD-Vergleich in den Blick, so etwa die vergleichsweise starke kirchliche Bindung unserer Kirchenglieder. Vier Themenkreise strukturierten die Arbeit: „Fläche und Bindung“, „Parochie und kirchliche Orte“, „Verwaltungsstrukturen und Beziehungsstrukturen“ sowie „Ehrenamtlichkeit und Beruflichkeit“.
Die Klausurtagung im Januar widmete sich der Aufgabe, einen Überblick über derzeitige Reformprozesse der Landeskirchen im Bereich der EKD zu gewinnen und die Besonderheiten, Stärken und Grenzen der bisherigen sächsischen Reformschritte im Vergleich zu diskutieren. Dazu stellte Dr. Steffen Bauer, bis Sommer 2024 der Leiter der Ehrenamtsakademie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, der die Reformprozesse seit einiger Zeit gründlich beobachtet,[6] seine Einschätzungen für die Diskussion zur Verfügung. Alle Landeskirchen arbeiten ausnahmslos an Transformationsprozessen. Teilweise gibt es eine sehr hohe Dynamik, insbesondere dort, wo ein „Reformstau“ zu großen Schritten zwingt. Sichtbar wurde im Überblick über die unterschiedlichen – und oft nur begrenzt abgestimmten – Reformprozesse der Gliedkirchen der EKD, dass für gelingende Prozesse eine Balance gewahrt werden muss zwischen einem Ansatz, der sich auf Ressourcensteuerung („Wie können wir sparen?“) konzentriert und einem Ansatz der vor allem die Kirchenentwicklung[7] („Wie wollen wir Kirche sein?“) in den Blick nimmt. Insgesamt ist erkennbar, dass die benannten Transformationsdynamiken im Raum der EKD zu stärkeren Unterschieden zwischen den Landeskirchen führen werden.
[1] Vgl. dazu bereits die Hinweise des letzten Berichts der Kirchenleitung: Übersicht, Einsicht, Aussicht – aus der Arbeit der Kirchenleitung. Bericht der Kirchenleitung an die 28. Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 27. März 2023 (VL 45), online verfügbar unter: https://engagiert.evlks.de/fileadmin/userfiles/EVLKS_engagiert/ B._Landeskirche/Landessynode/2023-Fruehjahr/Freitag_21-04-23/VL-45-Kirchenleitungsbericht.pdf (abgerufen am 1.02.2025).
[2] Vgl. den Bericht zur Tagung: https://engagiert.evlks.de/landeskirche/landessynode/28-landessynode-berichterstattung-vorlagen-und-beschluesse/28-landessynode-herbsttagung-2023-sonntag (abgerufen am 27.01.2025).
[3] Die ersten Ergebnisse der KMU VI erschienen im Herbst 2023 in einem Band, der auf etwa 100 Seiten einen groben Überblick gibt; vgl. Evangelische Kirche in Deutschland (Hg.), Wie hältst du’s mit der Kirche? Zur Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft. Erste Ergebnisse der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, Leipzig 2023, online verfügbar unter: https://kmu.ekd.de/fileadmin/user_upload/kirchenmitgliedschaftsuntersuchung/ PDF/Wie_hältst_du’s_mit_der_ Kirche_–_Zur_Bedeutung_der_Kirche–in–der–Gesellschaft_KMU_6.pdf (abgerufen am 27.01.2025). Der ausführliche Auswertungsband erschien im Dezember 2024 und liefert auf über 600 Seiten vertiefte Einblicke.
[4] Vgl. Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens (Hg.), Kirche mit Hoffnung in Sachsen. Struktur und Berufsfeld – Grundlagen zur künftigen Struktur- und Stellenplanung und zur Weiterentwicklung der Berufsfelder im Verkündigungsdienst innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Dresden 2016, online verfügbar unter: https://engagiert.evlks.de/fileadmin/userfiles/EVLKS_engagiert/E._Materialien/PDF_Materialien/ Kirche_mit_Hoffnung_in_Sachsen.pdf (abgerufen am 27.01.2025).
[5] Die Geschäftsführung liegt in den Händen von KR Lüder Laskowski, Referent für Gemeindeentwicklung im Landeskirchenamt. OLKR Klaus Schurig ist inzwischen in den Ruhestand getreten.
[6] Die Reihe „Landeskirchen unterwegs – Transformationsprozesse im Vergleich“ in inzwischen acht Teilen, ist online zugänglich unter: https://www.kirchedermenschen.de/post/landeskirchen-unterwegs (abgerufen am 27.01.2025).
[7] Der Begriff „Kirchenentwicklung“ wird in diesem Bericht in einem allgemeineren Sinn als Sammelbegriff für theologische Selbstverständigungsprozesse gebraucht.