Kirchenleitungsbericht – Kapitel 1
1. Was will der diesjährige Kirchenleitungsbericht?
Der diesjährige Kirchenleitungsbericht benennt und erläutert die Zwischenergebnisse der Arbeitsgruppe der Kirchenleitung „Kirche im Wandel – Wege gestalten für das Kommende“. Wir informieren über die Gesprächsstände der Beratungen und Denkrichtungen der Arbeitsgruppe.
Als wesentlicher Modus dieses Berichts soll gelten, dass wir mit der Benennung von Gesprächsständen im Sinne von Zwischenständen offene Fragen formulieren, zunächst noch skizzenhaft eine Richtung markieren. Dieser Modus der Offenheit scheint uns in unserer jetzigen Lage geboten. Denn uns steht vor Augen: Über die jetzt nötigen, einzuleitenden Entscheidungen für die Gestalt des kirchlichen Lebens der kommenden Jahre und Jahrzehnte braucht es einen breiten und genauen Informationsstand innerhalb unserer Kirche.
Das Tempo und die Tiefe des Wandels des kirchlichen Lebens erzeugen einen besonderen Entscheidungsdruck und auch eine berechtigte, hervorgehobene Entscheidungserwartung. Unsere Mittel und unserer Kräfte werden erheblich und schnell kleiner werden. Auch wenn wir in unserer Landeskirche seit Jahrzehnten darin geübt sind, mit genauen Prognosen zu arbeiten und vorausschauend zu planen und zu entscheiden – es zeichnet sich für die kommenden Jahre noch einmal eine höhere Dynamik ab.[1] Die Tragweite der zu treffenden Entscheidungen für das Leben unserer Kirche ist also groß, die nötigen Veränderungen tiefgreifend.
Wenn tiefgreifende Änderungen sich abzeichnen, erzeugt das auf vielen Ebenen Unsicherheiten, Ängste und berechtigte Sorgen. Unserer Verantwortung entsprechend versuchen wir dies aufzunehmen, ohne einen klaren und weitsichtigen Blick dabei zu verlieren. Deutlich ist: es braucht eine bewusste Entscheidung für eine bestimmte Haltung, eine gesuchte Orientierung. Denn weder regressive Verdrängung kann ein verantwortlicher Weg sein, noch Alarmismus und eruptiver Aktionismus.
Es leitet uns als Kirche Vertrauen, nicht die Angst. Ohne Vertrauen kann keine Gestaltung der Welt und der Kirche gelingen. Wir vergewissern uns: Als Menschen Gottes sind wir gerufen, mit einem von Christus geleiteten Blick zu agieren. Christus hat nicht nur damals dem Blinden von Betsaida die Augen geöffnet,[2] sondern mit dem Auferstandenen uns allen eine neue Sicht des Glaubens geschenkt.[3]
Die biblischen Texte erinnern immer wieder an christliche Grundhaltungen, die unter Bedrängnis zu suchen sind. Wir blicken nüchtern und besonnen auf unsere Lage,[4] wir blicken mit Jesu Augen immer zuerst auf Menschen, die uns als Kirche brauchen,[5] und wir suchen die stärkende Gemeinschaft und den Rat untereinander.[6] Wir suchen eine vertrauensvolle und besonnene Haltung, helfen einander auf und bleiben eine diakonische Kirche. In diesen Haltungen können wir Sorgen ernst nehmen und in einen Modus der verantwortlichen Entscheidungsfindung kommen.
Der Einblick in die Gesprächsstände der Arbeitsgruppe ist in dieser Weise zu verstehen als die Bitte, dass wir uns aufhelfen mit guten Ideen und aufrichten mit stärkender Energie. Wir suchen ein vielstimmiges Gespräch über den künftigen Weg der Landeskirche, gerade weil wir auf einen Weg der Konzentration verwiesen sind, der Neues hervorbringen kann, aber daneben Verluste und Verzicht bedeuten wird.
Die hier skizzierten Gesprächsstände sind als Einblick in einen offenen, fließenden Prozess zu verstehen. Offene Gesprächsstände sind nicht gleichzusetzen mit Ratlosigkeit, sondern wir versuchen, mit Mut einzuladen zu einem fairen, konstruktiven Gespräch, welches immer wieder das Ganze unserer Kirche im Blick hat.
Freilich ist der Spagat deutlich: möglichst breite Beteiligung und zugleich eine geordnete und strukturierte Entscheidungsfindung in den dafür mandatierten Gremien und Organen unserer Kirche. Wir orientieren uns am biblischen Zeugnis und suchen die Haltungen, die der Geist Gottes schenkt: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“[7]
[1] Der Rückgang der Gemeindegliederzahlen setzt sich in hohem Tempo fort. Im Jahr 2010 gehörten zu unserer Kirche 773.851 Gemeindeglieder, im Jahr 2024 waren es noch 575.504. In Fortschreibung der Prognosen, die bereits „Kirche mit Hoffnung in Sachsen“ im Jahr 2016 zu Grunde lagen und die sich als ziemlich präzise erwiesen haben, rechnen wir mit einem weiteren Rückgang der Gemeindeglieder in den nächsten zehn Jahren um ein Drittel. Analog dazu werden sich die Ressourcen um ca. 30% in den nächsten 10 bis 15 Jahren reduzieren.
[2] Vgl. Markus 8,22–26.
[3] Vgl. Lukas 24,31: „Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn“ (Emmausjünger).
[4] „Prüft alles und behaltet das Gute“ (1. Thessalonicher 5,21 – Jahreslosung 2025).
[5] Es sei daran erinnert: Im Neuen Testament wird διακονέω zum zentralen Ausdruck für die christliche Grundhaltung, die sich an Jesu Wort und Verhalten orientiert. Jesu gesamtes Wirken und sein Tod werden als ein „Dienen“ (im Gegensatz zum „Herrschen“) bezeichnet (vgl. Markus 10,45; Lukas 22,26 f).
[6] „Nehmet einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob“ (Römer 15,7).
[7] 2. Timotheus 1,7.